Seit Jänner 2022 ist es in Österreich erlaubt, einem Menschen Sterbehilfe zu leisten, also beim Suizid zu assistieren, und zwar mit einem legalen Präparat.
Voraussetzung sind eine „unheilbare, zum Tod führende Erkrankung“ oder eine „schwere, dauerhafte Krankheit“, beide verbunden „mit einem nicht anders abwendbaren Leidenszustand“.
Mit anderen Worten: es gibt die Möglichkeit, das Leben in einer geplanten Weise zu beenden, mit möglicher Unterstützung durch einen anderen Menschen. Dazu kann man ein Präparat von der Apotheke beziehen.
Dies war davor nicht möglich. Es ist jedoch weiterhin verboten, jemanden zu töten, wenn er oder sie das auch erbitten oder verlangen würde. Auch ist es verboten, einen Menschen zum Suizid zu verleiten.
Mit meinem Hintergrund in Intensivmedizin, Medizinethik und Philosophie wird der Frage nachgegangen, ob, warum und wie ein geplantes Sterben für Sie möglich ist. Mit Eingehen auf Ihre Erkrankung und Ihr Leiden werde ich Sie über jede Unterstützung und Hilfestellung informieren, die Ihr Leben und Ihre Lebensqualität erleichtern und vielleicht verbessern könnten.
Was kann mir das Leben noch bieten?
Für den einen Menschen kann die Behandlung von schweren Symptomen und stark belastenden Beschwerden hilfreich sein und gut funktionieren. Dies kann zu einer Distanzierung des Sterbewunsches führen. Für andere Menschen kann nach dem Gesprächsverlauf ein begleitetes freiwilliges Sterben in Frage kommen. In diesem Fall, wenn alle Bedingungen erfüllt sind, werde ich Ihnen ein entsprechendes ärztliches Attest ausstellen. Sie benötigen zwei Atteste von zwei verschiedenen ÄrztInnen, wobei ein Kollege PalliativmedizinerIn sein muss. Einmal erhalten, können Sie mit den beiden Attesten einen Notar oder eine Patientenvertretung aufsuchen, welche Ihnen eine Sterbeverfügung ausstellen wird. Danach können Sie das Präparat zum Sterben in der Apotheke erwerben.
Der Wunsch, das Sterben vorzuziehen und das Streben danach, den Tod aktiv herbeizuführen, sind komplexe Angelegenheiten. Sich selbst das Leben zu nehmen, erscheint zunächst empörend, wie ein Desertieren vom Dasein. Eine Sehnsucht zu sterben bedeutet aber nicht unbedingt, einen konkreten Wunsch nach Suizid zu haben. Im Gegenteil, der Wille dazu ist grundsätzlich selten vorhanden. Meist kommt und geht er, abhängig von den Begleitumständen.
Philosophisch ist weder die Rechtfertigung zum freiwilligen Sterben/Suizid/Freitod noch das Verbot desselben hinreichend begründbar. Immanuel Kant lehnte den Freitod ab; Sigmund Freud hingegen nahm sich in London selbst das Leben.
All das wird zusammen mit den Betroffenen in meiner Ordination mit philosophischem Zugang erörtert. Die Auseinandersetzung mit dem assistierten Suizid muss ohne vorherige Wertung geschehen. Frei von eiligem Urteil setzen wir uns gemeinsam mit dem Gedanken des geplanten Sterbens auseinander. Weiters werden Sie über jede mögliche institutionelle Hilfestellung aufgeklärt, die Ihr Leben verbessern und leichter machen könnte.
Die Begleitumstände wie Krankheit, Schmerz, Leid oder die Prognose einer Erkrankung sind es, die der Gesetzgeber als Voraussetzung für die Durchführung des Suizides verlangt. Das Ergebnis kann sein, dass Sie das Vorhaben des assistierten Suizides überdenken und Distanz zu dieser Idee einnehmen.
Es ist auch möglich, dass wir gemeinsam zum Schluss kommen, dass der Suizid rechtlich möglich ist und Sie die Vision tatsächlich verwirklichen möchten, geplant aus dem Leben zu scheiden. In diesem Fall wird Ihnen das ärztliche Attest ausgestellt.
Die Wissenschaft der Philosophie und das Philosophieren an sich sind eine Disziplin, die per se nicht zwingt, zu einem Ergebnis zu kommen. Ein zeitgenössischer Philosoph aus Wien, Karl Nitsch, sagte: „Die Philosophie beantwortet keine Fragen, sie stellt nur welche.“ – Ob man, wie Nitsch es drastisch formuliert, in der Philosophie tatsächlich Probleme lediglich aufwirft oder aber Fragen auch beantwortet, ist eine persönliche Entscheidung.
Medizin ist nicht nur eine heilende, eine handwerkliche, eine detektivische und eine soziale Disziplin, sie ist auch eine philosophische Disziplin.
Allerdings muss die Medizin im Sinne eines logischen Prinzips Fragen nicht nur stellen, sondern auch versuchen, sie zu beantworten – und Entscheidungen treffen. Jede Überlegung an PatientInnen hat unweigerlich Konsequenzen.